Korea ein Bericht von Axel Hennig

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Südkorea - das Land der Morgenstille.


Zwei Monate sollte ich im Rahmen eines Stipendiums in dem Staat verbringen, der einen Drittel der Fläche Deutschlands ausmacht und dessen im Norden angrenzender Bruder Nordkorea unter kommunistischer Führung steht. Mein Standort war Seoul, Südkoreas Hauptstadt, die etwa 10.8 Millionen Einwohner zählt und zusammen mit dem unmittelbaren Umland sogar 20 Millionen Bewohner vereint - das sind 40 Prozent der Gesamtbevölkerung!

Also konnte ich mit Recht gespannt sein, was mich dort erwartete. Denn wenngleich ich schon zweimal in New York gewesen bin, bedeutete diese Menschenansammlung von zudem fast ausschließlich ungewohnten asiatischen Gesichtern eindeutig eine Steigerung.

Blick vom Fernssehturm auf den Han, Seoul

Nun war ich aber nicht ganz allein auf weiter Flur. Erstens fuhr - wirklich zufälligerweise - ein weiterer Student von dem Kölner Institut, bei dem ich arbeite, mit nach Korea, und zweitens verbrachte ich die erste Woche zusammen mit den vierzehn anderen Teilnehmern aus ganz Deutschland und allen Bereichen der Wissenschaft, die ebenfalls Nutzer dieses Stipendiums waren. Eine Woche, die ich nie vergessen werde. Am Flughafen angekommen, noch ziemlich geschafft vom zehnstündigen Flug ohne viel Schlaf, wurden wir direkt in einen Bus verfrachtet, der neben einigen First-Class-Hotels unser Zuhause für die nächsten Tage sein sollte.

Den Namen unseres Reiseleiters hatte keiner so richtig verstanden, schließlich einigten wir uns auf "Rambo", die weibliche Begleitung war Mrs.Li. Unser erstes Ziel war die Stadt Taejon, etwa so groß wie Köln. Unterwegs waren wir auf einer Autobahn mit Tempolimit 100 und zwangsläufig kam irgendwann die erste Pause, die für uns Nahrungsaufnahme bedeutete. Ich war mehr als skeptisch, was das Essen anging. Es sah ungewöhnlich aus, roch ungewöhnlich und schmeckte ungewöhnlich gut! Wir sollte in der vor uns liegenden Einführungswoche einen wirklich bemerkenswert guten Querschnitt durch die koreanische Küche vorgesetzt bekommen! Und im Nachhinein kann ich nur sagen: Hut ab! Es waren nur vielleicht zwei Gerichte dabei, die ich wirklich ungenießbar fand, also kein Grund zur Magersucht! Trotzdem nimmt man als Europäer bei normaler Ernährung in Korea wohl zwangsläufig ab.

Bushaltestellenschild, Seoul

Wir residierten im Lotte Hotel - Lotte ist neben Hyundai und Samsung einer der drei bekanntesten Konzerne in Südkorea, oftmals ist Lotte auch in Form jeglicher Lebensmittel vertreten. Das Hotel hatte Klasse, die Zimmer fingen an bei 300 DM pro Nacht, man wollte die geschätzten Gäste aus Deutschland nicht enttäuschen. Taejon selber hat nicht soviel zu bieten, war aber mal Ausrichter der EXPO im Jahre 1993. Nur war die EXPO aufgrund der Deutschen Ausrichtung 2000 sowieso in aller Munde, also konnte man sich das ja mal gerade anschauen, denn einige Attraktionen standen noch. Es stellte sich herasus, das das ganze eine Art Vergnügungspark war - Vorbote einer ungeahnten Verspieltheit der Koreaner, auf die ich noch zu sprechen komme. Wer den Vorschlag gemacht hatte, das EXPO-Gelände zu erkunden war nie ganz klar. Denn wir hatten bei unserer Ankunft einen genauen Zeitplan unsere Einführungswoche bekommen, der strikt eingehalten wurde. Während wir auf der EXPO waren, hatten wir planmäßig eine Ruhepause verordnet bekommen, aber letztlich war jeder froh, statt im Bett gelegen zu haben, sich diesen zusätzlichen Programmpunkt angetan zu haben.

Ulsanbawifelsen, Soraksan Nationalpark

Am nächsten Tag ging es ins Grüne, im Kyeryongsan Nationalpark wurde gewandert. Nationalparks sind in Korea Anziehungspunkt der gessamten Bevölkerung samt Kind und Kegel, vor allem an Wochenenden. An Ruhe ist in Korea nicht zu denken, da der wenige Raum, der für Erholung da ist, intensiv genutzt wird. Unbedingte Erwähnung muß das Fußballspiel gegen die Koreaner finden. Unser aus zufälligen Teilnehmern aller Sparten zusammengewürfelte Team Rang die koreanische Delegation der Korean Science and Engineering Foundation, die diesen ganzen Luxus für uns finanzierte - und einmal die Woche trainierte - mit 2:1 nieder!

Anschließend war die Stimmung unsere Gastgeber gedämpft, man hatte das erste Mal in drei Jahren verloren. Aber die Koreaner sind Mitbegründer der Höflichkeit und luden uns standesgemäß zum Essen ein. Abendessen ist in der Regel mit der Einnahme von Soju-Schnaps verbunden. Der Koreaner trinkt gerne, aber ihm fehlt das Enzym zum Alkoholabbau, daher läßt man sich als Deutscher nicht so leicht unter den Tisch saufen, obwohl die Alkoholspielchen trotz aller Benommenheit den deutschen Spielchen ins nichts nachstehen. In Taejon wurden uns zudem in drei Stunden einige Grundlagen der koreanischen Sprache vermittelt. Das Alphabet ist künstlich erschaffen worden und entspricht im Großen und Ganzen einer Lautschrift. Daas vereinfacht in gewisser Weise das Erlernen des Lesens, aber auch hier gibt es natürlich Ausnahmen. Und von Sprechen kann so schnell nicht die Rede sein, man lernt ein paar Floskeln und das war's. Dennoch war ich froh, daß ich die Wörter einigermaßen langsam lesen konnte. Das ist unheimlich praktisch, wenn man den richtigen Bus erwischen möchte...

Pulguksa-Tempel, Kyoung-Ju

Zu einem Abriß der koreanischen Sehenswürdigkeiten gehört auch die alte Königsstadt Kyoung-Ju. Unser Hotel Concorde rangiert im 97er Lonely Planet unter der Kategorie Super-Deluxe. Als ich dort nach einem Internetzugang fragte - den hatten wir im Business-Center des Lotte gehabt - wurde ich kurzerhand in die Verwaltungsräume geführt, wo ich dann alsbald vier Koreaner um mich herum stehen hatte, die mir Zugang zur GMX-Homepage verschaffen wollten. Schließlich gaben wir uns geschlagen, und ich konnte zumindest eine Mail über den Hotmail-Account eines Mitarbeiters verschicken. Aber merke: Koreaner sind sehr hilfsbereit! Das bestätigte sich immer wieder.

Wir bestaunten die große Buddha-Statue in der Sokkuram-Grotte, die Hügelgräber, die sich über die ganze Stadt verteilen sowie Pulguksa, die berühmteste Tempelanlage aus der Shilladynastie. Mit zur Tour, die auch unter dem Motto stand "wir zeigen den Besuchern mal, was Korea alles auf die Beine gestellt hat", gehörten dann neben dem Luxusleben in den teuren Hotels auch Werksbesichtigungen der Stahlfabrik in Pohang sowie der Autofabrik Hyundai und des Schiffswerftbetriebs der Hyundai Schwerindustrie in Ulsan.

Buddhafigur mit Schiefertafeln, Soraksan Nationalpark

Alle drei - vor allem aber die größte Werft der Welt! - waren sehr beeindruckend, allerdings hatte man in Pohang beim stolzen Berichten des hohen Ranges in der Stahlindustrie wohl vergessen, daß es so etwas im Ruhrgebiet schon alles mal gegeben hatte, Deutschland sich aber inzwischen anderen Industrien gewidmet hat. Nichtsdestotrotz waren diese Einblicke sehr interesssant, und witzigerweise konnten wir zweien der drei Firmenpräsentationsfilme sogar in deutscher Sprache lauschen Alsbald bewegten wir uns in Richtung Hauptstadt, nicht ohne vorher noch eines der heißbegehrten "Folk Villages" zu begutachten, das mir persönlich allerdings recht wenig Anschauung lieferte. Endlich Seoul, und glücklicherweise bei guter Sicht auf dem Fernsehturm 483 Meter über der Stadt. Von hier oben wird einem bewußt, in welcher Betonhölle man sich befindet, wenngleich es in Seoul mit Wolkenkratzern nicht so weit her ist, wie man meinen sollte. Das höchste - auch Koreas - zählt gerade 63 Stockwerke und heißt genauso, wenngleich drei Stockwerke im Keller versteckt sind; es steht ganz alleine am Ufer des mächtigen Han River, der sich auf bis zu einem Kilometer Breite durch die Metropole schlängelt.

Nun habe ich zwei Monate in Seoul verbracht und kann nur schwer beantworten, was man hier auf jeden Fall gesehen haben muß. Es gibt viele Märkte wie die Antiquitätenstraße Insadong, Namdaemun, Tongdaemun oder Itaewon, auf denen man ruhig handeln sollte, wenn man nicht darauf steht, sich übers Ohr hauen zu lassen. Der Olympiapark mit dem Friedenstor lohnt einen Besuch und es schadet nicht, sich die Stadt von oben anzusehen. Das U-Bahn-System ist ungleich ausgereifter als in Deutschland, die Schächte ziehen sich stellenweise über drei Stockwerke, so daß man gut zu Fuß sein sollte. Wie auch beim täglichen Arbeitsbeginn im Büro wird in der U-Bahn neuerdings klassische Musik bei der Ansage der Stationen gespielt. Ansonsten zog es uns am Wochenende raus aus der Stadt. Beste Möglichkeit ist der Pukhansan-Nationalpark der direkt vor den Toren der Stadt liegt, vielmehr darin übergeht. Uns bot sich hier unverhofft ein kostenloser Gipfelführer an, nachdem wir schon froh waren, bei der richtigen Bushaltestelle ausgestiegen zu sein.

Er hatte auch für Verpflegung gesorgt und lud uns später noch zu sich nach Hause ein, um das von uns bezahlte Dankesbierchen zu schlürfen. Auf dem Weg nach Hause fuhr uns ein anderer Koreaner, dessen Auto gerade fertig repariert war, ans Ziel, weil er uns den Weg nicht auf Englisch erklären konnte - und weil unser Bergführer aufgrund des Bieres und des selbstgebrannten Schnapses nicht mehr so ganz die richtige Bushaltestelle artikulieren konnte - wahrscheinlich meinte er vierzehn statt vier Stationen, bei sechs stiegen wir dann aus und waren noch längst nicht da! Wir machten noch drei interessante Touren in Korea, nämlich in die Hafenstadt Pusan, in den Soraksan Nationalpark im Nordosten und zur Hochzeitsinsel Cheju. Den Ausflug zur Grenze kann man getrost vergessen, die 80 DM lassen sich besser anlegen. Aber immerhin kam ich auf dem Weg zur Grenze in den Genuß des teuersten Cappuccinos meines Lebens: 14 DM! Aber im Gegensatz zu sonstigem Kaffee in Korea - etwa eine Bohne pro Tasse oder aber schrecklicher Haselnußersatzkaffee aus den Staaten - war dieser immerhin wirklich gut!

Koreas zweitgrößte Stadt Pusan (3.9 Mio.) lohnt einen Besuch vor allem wegen des bekannten Fischmarktes Chagalch'i, der alles bietet, was sich im Wasser bewegt und beißen kann. Zudem ist auch hier der Blick vom Tower nicht zu verachten.

Fischmarkt Chagalch'i, Pusan

Wir wurden in Pusan zufällig Zeuge des Rockfestivals, das die Bezeichnungen "brutal" und "agressive" aus dem Programmheft für unsere Ohren etwas zu eindrucksvoll bestätigte. In Pusan wurden wir zudem aufgeklärt, was es mit den sagenumwobenen "heißen Quellen" auf sich hat. Es handelt sich dabei um nicht viel mehr als warmes Swimmingpoolwasser im x-ten Stockwerk eines Hotels und hatte nichts mit den Symbolen zu tun, die wie dampfende Kaffeeuntertassen aussehen und von uns fälschlich für Hinweise auf heiße Quellen gehalten wurden. Die "Untertassen" sind sehr häufig auf Schornsteinen zu sehen und stehen für die koreanische Sauna.

Der Soraksan Nationalpark ist einen Pflichtbesuch wert. Wir tourten dorthin per Express-Bus und waren angenehm überrascht von den sehr großzügigen Sesseln bei sehr niedrigem Preis. Transport wird in Korea großgeschrieben und ist dementsprechend günstig, was man von vielen anderen Dingen nicht sagen kann! Das Hauptinteresse im Soraksan gilt dem Wandern, und wer wie wir nicht Zeit hat, die große Wanderung auf den Gipfel des Taecheongbong auf 1708 Meter Höhe zu schaffen, die eine Übernachtung einschließt, dem sei die Wanderung auf den Ulsanbawi-Felsen nahegelegt. Leider waren wir nicht im Herbst da, wenn die Blätter die Landschaft in bunten Farben erstrahlen lassen, aber auch so war es eine willkommene Abwechslung. Kurz vor der Abfahrt von der Küstenstadt Sok'cho aus, wurden wir am Strand noch Zeuge von Ölsardinengedränge der Menschen am Strand und im Wasser. Keine Chance auf wirkliches Schwimmen, vor allem auch, weil der erlaubte Bereich im Wasser per Absperrseil knapp bemessen war. Angeblich soll es sogar so sein, daß viele Koreaner gar nicht schwimmen können.

Die Insel Cheju, die häufig Ziel von Hochzeitsreisen ist, ist auf jeden Fall auch zu jedem anderen Anlaß einen Besuch wert. Nachdem wir dort wegen des fehlenden internationalen Führerscheins - wir hatten das Autoleihen nicht eingeplant - keinen Mietwagen bekamen, wurden wir kurzerhand von unseren vermittelten Ansprechpartnern, die mit Mitarbeitern in unserem Gastinstitut bekannt waren, per Kleinbus über die Insel geführt. So kamen wir kostenlos in den Genuß der wichtigsten Sehenswürdigkeiten, noch dazu mit koreanischer Führung. Mit der Einladung zum Essen als Dankeschön wurde es nichts. Vielmehr wurden wir von unserem Fahrer eingeladen, der einen Bekannten in einem Restaurant hatte. Dieses stellte sich dann als Hotelküche des Shilla Hotels heraus, Topadresse der Insel und dort - so erfuhren wir später - arbeiteten die besten Köche Koreas.

Man schmeckte es, der unvermeidliche Kim'chi - eingelegter Chinakohl - war gut wie nie. Ist schon toll, wenn ein Sternekoch einen per Handschlag begrüßt, einem die Menu-Karte hinhält und sagt "Suchen Sie sich etwas aus!" Wir sahen zwei der drei bekannten Wasserfälle auf Cheju, besuchten die Tempelgrotte am Sanbangsan und kamen nach dem obligatorischen Besuch des Folk Village beim Sonnenuntergang am Songsan im Osten der Insel auf unsere Kosten. Am Tag zuvor bestiegen wir den Vulkankegel Halla, mit 1950 Metern der höchste Berg Südkoreas, dessen Gipfelweg aber aufgrund von Naturerholung gesperrt war. Für den Sonnenuntergang fuhren wir an die Westküste nach Hallim, wo wie so oft das Versinken der Sonne im Meer durch Wolken am Horizont vereitelt wurde.

Wieder zurück in Seoul, stand dann bald der Abschied an. man wurde wieder zum Essen eingeladen, aber dieses Mal wurden wir vom Singen verschont. Denn eine Sache ist auf jeden Falls noch erwähnenswert. Neben diversen Spielmaschinen, die Bunt leuchten und Krach machen, ist das Karaokesingen ein inoffizieller Volkssport in Südkorea, meistens in der harmloseren Form des Singens in einem gräßlich bunt tapezierten Gesangsraum, in dem sich die Blamage auf die wenigen Personen beschränkt, die man hierhin mitgenommen hat. Im Gegensatz dazu findet Karaoke auf einer Bühne vor einem größeren Publikum statt. Richtig lustig wird das ganze angeblich, wenn man unter vorgegebener Reihenfolge beim Singen auf Pfeiltasten herumtreten muß - die Koreaner nennen das "The Pump", die Japaner "DDR" - , aber spätestens hier hörte füür mich der Spaß auf...

Alles in allem war mein Aufenthalt in Südkorea eine tolle Erfahrung, die ich nicht missen möchte!